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Auf Tönernen Füßen

Viele kriegen sich nicht mehr ein. US-Präsident Donald Trump in der Pose des Friedensstifters im Nahen Osten. Wer seine Rede in der Knesset gehört hat und nicht völlig verblendet ist, der kann allerdings nur zu einem Schluss kommen: Das war im Stil unter aller Sau. Und auch inhaltlich eine Katastrophe. Selfsuggestion Marke „Laterne ganz unten“. Für Menschen mit geringen Ansprüchen mag das etwas Erfrischendes gehabt haben. Für die Zukunft der Region ist eine derart widerliche Selbstbeweihräucherung ein Menetekel. Wer derart sich selbst und seine buckelnde Entourage in den Vordergrund rückt, andere Staatsvertreter, auch israelische, behandelt wie sein Putzpersonal, mit dessen politischer und menschlicher Empathie ist es nicht weit her. Die Hamas-Geiseln, soweit noch am Leben, sind frei. Gaza erhält eine Verschnaufpause. Das war die gute Nachricht. Die einzig gute, so mein Resumee.

Denn was nach der Unterzeichnung der vermeintlichen Friedensagenda in Ägypten kommt, steht in den Sternen. Die Hamas und Israel, von deren Willen es abhängt, ob wirklich Frieden einzieht, saßen nicht mit am Tisch. Sondern es waren die Kellner, die dort Platz nahmen. Neben dem Wirt aus den USA, der das Lunch-Menu zusammengestellt und sich dafür selbst drei bis dreitausend Sterne gegeben hatte. Ob das am Ende bekömmlich sein wird? Es herrschen allenthalben Zweifel. Man kann nicht dankbar genug dafür sein, dass die israelischen Geiseln endlich wieder zuhause sind. Und auch die palästinensischen Frauen und Kinder, die aus den Gefängnissen freigekommen sind. Alles andere, etwa die Frage der Hamas-Entwaffnung oder ob Israels Regierung ihre Gewalt gegen Palästinesner in Gaza und im Westjordanland einstellt, steht dahin. Von etwa einer Zwei-Staaten-Lösung ganz zu schweigen.

Was wurden nach dem Egypt-Act große Worte geschwungen, auch von Bundeskanzler Friedrich Merz. Die Hilfslieferungen für die Menschen im Gaza-Streifen sind mehr geworden. Für kurz oder länger? Niemand würde das belastbar vorhersagen wollen. Einer ins Spiel gebrachten Wiederaufbau-Konferenz für Gaza-Streifen und Palästinenser stehen Pläne entgegen, für die Donald Trump, nicht lange her, vor allem die Trommel gerührt hat: Für eine Riviera des Nahen Ostens, an der die, die bislang in Gaza gelebt haben, keinen Platz haben. Seine überschwängliche Rühmerei für die Vermittlungsarbeit seines Schwiegersohns Jared Kushner lässt ahnen, wohin die Reise gehen könnte. Denn Kushner ist vor allem Immobilienhai und Finanzinvestor, sein Schwiegerpapa vor allem an Eigenbereicherung interessiert. Und Trumps Pläne sind sicher nicht verlässlich in der Schublade verschwunden.

Was die Vereinbarungen betrifft, die vor der Zeremonie in Scharm el-Scheich die Hamas und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu getroffen haben: Sie sind nicht in Stein gemeißelt. Das haben beide Seiten unüberhörbar zu verstehen gegeben. Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat denn auch Wasser in den Wein geschüttet, den Trump großspurig in die Gläser gegossen hat. Er warnte vor der Hamas als dem Wolf im Schafspelz. Pochte auf eine strenge Überwachung der Abmachungen, die getroffen worden seien. Und auch Netanyahu ließ wissen, dass er noch ausreichend militärische Spielräume habe. Zumal die Ultra-Rechten in seinem Kabinett alles andere als erfreut über den Deal mit der Hamas sind. Sollten Trump und Europäer nicht weiter Druck machen, könnte sich der Friedenswind schon bald wieder verflüchtigen. Und alten politischen Stürmen weichen.

Wie schnell das gehen kann und Trump bei allen Riviera-Träumen die Lust verliert, sich hier weiter zu kümmern, hat er im Russland-Ukraine-Konflikt vorgemacht. Nach den Gesprächen mit Kreml-Chef Wladimir Putin, die er ebenfalls als einen Anfang vom Kriegsende ausgab, kam: Nichts. Statt dessen geht er, weil Putin nicht so will, wie Trump es sich vorgestellt hat, wieder auf stärkere Konfrontation zu Moskau. Weswegen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi die Gunst der Nahost-Stunden nutzen will, um in Washington wieder einmal als Bittsteller für konsequente(re) Unterstützung zu werben. Auch Selenskyi hat inzwischen mitbekommen, dass Trump vor allem aus der Laune heraus und in besonderem eigenen Interessen Politik macht. Eine Melange, die Verlässlichkeit, wenn überhaupt, dann nur im Sinne der USA und ihres autokratischen Führers garantiert.

Wenn eine Beobachterin des Geschehens wie die Wissenschaftlerin und in der Konfliktforschung bewanderte Professorin Nicole Deitelhoff im Berliner „Tagesspiegel“ mit aller Vorsicht lobt, was sich im Nahen Osten tut, und in diesem Zusammenhang auf die entscheidende Rolle der USA verweist, ist das berechtigt. Aber genau da liegt bei einem Präsidenten, der innenpolitisch nicht gerade friedfertig unterwegs ist und den Institutionen der Weltordnung einen Dreck scheren, der Haken. Danach können Erfolge unversehens verpuffen. Schlimmer: Torpediert werden, und zwar von dem, dem sie zugeschrieben werden. Der wie manche Kinder erst „Lego“-Burgen baut, um sie dann genüsslich abzuräumen. Nur, dass dies bei ihm kein Spiel ist, sondern brutale Wirklichkeit. Und dennoch bleibt der Welt nichts anderes übrig, als genau daraus zu lernen. Ein hartes, aber ausweichliches Lehrstück.

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