Man stelle sich vor, ein amtierender deutscher Bundeskanzler würde seinen Vorgänger derart beschimpfen: Ein „Verbrecher“, der „ins Gefängnis“ gehöre. Ein „absoluter Abschaum und Versager“. Und „ein widerlicher Mensch, innerlich wie äußerlich. Ich habe ihn geschlagen und genieße es jetzt, ihn zappeln zu sehen“. Bei allem, was man in D derzeit für möglich halten könnte, das, so behaupte ich, würde einen amtierenden Bundeskanzler aus dem Kanzleramt katapultieren. Nicht so US-Präsident Donald Trump. Der mit seiner Sprache, oft Fäkalsprache, wie nach n-tv zitiert dieser Tage über Joe Biden hergezogen ist. Ich frage mich, wie – gelinde formuliert – rüpelhaft ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auftreten muss, damit er aus dem Weißen Haus gejagt wird. Und wann es seine Amts“kolleg*innen“ endlich fertig bringen, diesem Mann jede Aufwartung zu verweigern. Geschweige denn, ihm, der Inkarnation des Sprachverfalls, Platz an den Tischen der Weltgemeinschaft zu machen.
Aber vielleicht ist das ja der neue Stil, mit dem man unterwegs sein muss, um auf nationalem und internationalen Parkett zu reüssieren. Es gibt Autoren, auch linksliberaler Medien, die, wie mir scheint, dazu neigen, der Trump’schen Form von Meinungsbekundung einen gewissen Respekt zu zollen. Und in der Rüpelhaftigkeit „unter der diplomatischen Gürtellinie“ eine besondere Strategie sehen: „Außenpolitisch führt er das US-Imperium klüger, als er klingt“, wie es in einem Beitrag heißt. Dort wird beschrieben, wie der „Mann der nackten Macht“ sich Freunden und Gegnern in einer Weise zu nähern wisse, die erst gar nicht vorgebe, einem „hehren Ziel“ zu folgen. Sondern dem Ziel, sich die eigenen imperialistischen Ansprüche zu erfüllen und seinen Reichtum oder den der USA zu mehren. In einem Wurmfortsatz ist dann noch zu lesen, dass diese Strategie gewiss Opfer koste. Weswegen freilich eben das Erkennen und Anerkennen dieser Strategie auch der „erste Schritt zum Widerstand“ sei.
Da will der Apfel raffiniert geschält sein. Doch schwingt etwas mit, was einige Kühnheit voraussetzt. Dass nämlich die Trump’sche Performance annähernd etwas habe, was am Ende im Kern auf scharfen Geist baut. Es ist der allgemein eher als rabiat betrachtete Stil eines Menschen, dem man hier maximale Cleverness ins Poesiealbum narzisstischer Herrschaftspolitik schreiben möchte. Eine Herrschaftspolitik, die innen- wie außenpolitisch von den Launen eines ewig pubertierenden Autokraten geprägt ist. Seine verbalen Ausfälle werden durch angeblich von Friedensabsichten getragene Schachzüge nicht aufgewogen. Denn auch derlei Absichten sind dem politischen Wind und Wetter ausgesetzt, die täglich übers Weiße Haus ziehen. Nicht einmal sein Sinn für „Deals“ ist vor ihm selbst sicher. Gestern noch wollte er in Gaza nach Vertreibung der Palästinenser eine Riviera hochziehen. Heute schon ist ihm selbst der Weg zu dieser geldgierigen menschenfeindlichen Perspektive zu unbequem.
Nicht einmal die widerlichste Geschäfts“idee“ ist, sofern andere, die mit ins Boot geholt werden müssen, nicht spuren, belastbar. Trump bewegt sich abseits jedweder Berechenbarkeit. Ist der „Deal“ nicht ruckzuck per Telefonat oder Blitzgespräche unter Dach und Fach zu bringen, erntet sein Streben nicht in kürzerer oder kürzester Zeit das erwartete Echo, ist die Hochachtung Trumps vor Partnern, die er über den Tisch ziehen will, schon wieder verflogen. Und einer Tirade in der nach oben grenzenlosen Richterskala der Beschimpfungen (inklusive physischer Bedrohungen) gewichen. Hin und wieder, da mag oben genannter Beitrag etwas Wahres befördern, rutscht Trump eine gewisse, aber auch nur egozentrische Eleganz heraus. Dann hat er sich quasi, das Ziel im Auge, für einen Moment im Griff. Doch kaum, dass er zur freien Rede übergeht, ist alle Contenance dahin. Und nicht nur die. Selbst der politische Zweck wird dann schnell im Räderwerk seiner Polit-Sprüche und Ausfälligkeiten zermahlen.
Die Frage ist deswegen, was man mit diesem Mann politisch anfängt. Ja, er ist der Präsident der USA. Aber er ist dabei, die Welt nachhaltig in den Abgrund zu treiben. Und alle in der Welt, die er als Kinderzimmer seiner autokratischen Herrschaft betrachtet, in ein Chaos zu treiben, das sich nur noch schwer wieder aufräumen lässt. Oder gar nicht. Bis dahin aber haben alle, die ihn ernst nehmen, ihr eigenes Haus an Trump verpfändet. Das sich dann nichtmal im schlimmsten Fall mehr retten lässt. Aus dieser Perspektive erscheint vielleicht besser, man gibt sein Schicksal nicht in Trumps Hände. Man reicht ihm nicht einmal mehr die Hand. Weswegen das nicht schon längst geschehen ist? In Europa ist die Angst spürbar, der Mann könnte um sich schlagen, die Knarre ziehen und alle, die ihm nicht folgen, umballern. Aber sich deswegen still verhalten? Und sei es „nur“, seine Politik als klüger, als sie klingt zu betrachten? Seine Politik klingt, wie sie ist. Selbst in den „cleversten“ Momenten: Dumm.
Allein die innenpolitischen Auswirkungen sind Hinweis darauf, dass schliesslich nicht Demokratie und, sei es auch nur protektionistischer, Wohlstand stehen. Sondern die Zerstörung dessen. Auch des Trump’schen Wohlstands. Die Menschen in den USA scheinen dies, wenn auch langsam, zu begreifen. Die Tech-Millardäre, die ihm anfangs noch zu Füßen lagen, gehen auf Abstand. Bis auf solche MAGA-Prediger wie Peter Thiel. Der seine Vorstellungen auch eher wahnhaft, wenngleich brandgefährlich, schmückt. Das sollte den Politikerinnen und Politikern in Europa zu denken geben. Außer natürlich denen der rechtsextremen AfD, die sich von jedem bauchpinseln lassen, je autokratischer er unterwegs ist, desto lieber. Und in jeder Einladung durch Trump-Gefolgsleute einen politischen Ritterschlag sehen. Wer freilich jede Appeasement-Politik dem Kreml-Zaren Wladimir Putin gegenüber für des Teufels hält, ja schon ein Telefonat mit Putin, dem sollte die Hand gefrieren, wenn Trump sie schütteln möchte.
Gegenwärtig wird heiß diskutiert, was „Mitte“ sein könnte. Wohin sich „die Mitte“, wie sie sich selbst einmal sah, bewegt. Ob das, was an rechter Drift zu erkennen ist, rückholbar ist. Oder ob der „Mitte“, wie sie die Bundesregierung, trotz aller Zweifel von außen und innen, unablässig beschwört, jedes Maß für eben die „Mitte“ verloren gegangen ist. In Debatten wird beschrieben, dass man sich als demokratische Kraft die „Mitte“ nicht einfach von Rechtskonservativen und Rechten rauben lassen dürfe. Das Maß für diesen Anspruch liegt auch darin, sich den Trumps dieser Welt unmissverständlich zu verweigern. Das beginnt bei Trump selbst, läuft über Bewunderer, Anhänger und Kollaborateure – wie etwa Weidel&Co. Die zu denen gehören, die, weil Trump und Putin in ihrem Großmachtstreben und ihrer Großmannssucht etwas gemeinsam haben, gleich Beiden huldigen. Wenn vom „ersten Schritt zum Widerstand“ die Rede ist, dann besteht er darin, Trump nicht Klugheit zu bescheinigen.
Vielmehr sollten Wortklang, Geist und Handeln Trumps abgeglichen werden. Passt dazwischen auch nur ein dünnes Blatt Papier? Trumps Wortwahl spiegelt eindrücklich, wie es in seinem Kopf aussieht. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika kommt der Abrissbirne gleich, die den Ostflügel seines Machtzentrums eingerissen hat. Er wütet, er regiert nicht. Und je mehr er sich bewusst wird, dass gerade seine zweite Amtszeit läuft, um so heftiger. Es würde nicht wundern, wenn er auch hier versucht, das Gesetz zu beugen und seine Herrschaft unendlich zu festigen. Es entspräche seiner antidemokratischen Rücksichtslosigkeit, von amtswegen keinen Pfifferling auf den Rechtsstaat zu geben. Die FAZ hat in einem Beitrag das Schaffen der US-amerikanischen Journalistin und Autorin Dorothy Thompson Revue passieren lassen. Die ehedem die Gefährlichkeit von Nazi-Diktator Hitler unterschätzte und US-Präsident Roosevelt Gefährlichkeit zuschrieb, die dieser dann nicht „einlöste“.
Was Dorothy Thompson aber, wie der FAZ-Autor meint, scharfsinnig, quasi vorausschrieb, war das, was sich aktuell in den USA abspielt: „Kein Volk erkennt seinen Diktator im Voraus. Er tritt niemals mit einem diktatorischen Wahlprogramm an. Er präsentiert sich stets als Instrument des verkörperten Volkswillens. Wenn Amerikaner an Diktatoren denken, denken sie immer an ein ausländisches Vorbild. Würde hier jemand mit Pelzmütze, Stiefeln und grimmigem Blick auftauchen, würde er erkannt und abgelehnt werden. Ebenso wie jemand, der sechs römischen Kaisern ähnelt, oder jemand, den man mit gestrecktem Arm und einem ‚Heil!‘ begrüßen muss. Aber wenn unser Diktator auftaucht, können Sie sich darauf verlassen, dass er einer der Jungs sein wird und für alles stehen wird, was traditionell amerikanisch ist…(…)…man wird ihn wie die Schafe mit einem großen, universellen, demokratischen Blöken begrüßen: ‚O.K., Chef! Mach, was du willst, Chef! ….“, (Zitat FAZ)
Niemand stand dem amerikanischen Volk bei. Und auch nicht der Welt. Trump, der sich als der Präsident ausgibt, der für alles steht, was traditionell amerikanisch daher kommen mag, ist in Wahrheit der Mann, der sein Land verrät. Das Pendant zu Putin, der Krieg gegen die Ukraine führt – Trump führt auf seine Weise Krieg gegen den amerikanischen Kontinent, China, Europa. Den er nicht heimlich, sondern unheimlich mit Abneigung gegen Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit füttert. Wer schreibt, Trump sei klüger, als er klinge – der hört nicht wirklich hin. Sondern verwechselt Feinsinnigkeit mit fahrlässigem Zuspruch und geostrategischer Unkenntnis. Wie etwa, als Alaska als Weg zum Durchbruch für einen Frieden in Osteuropa herhalten sollte. Daraus wurde nichts. Nichts im Sinne des unflätigen Aufschneiders aus dem Weißen Haus, nichts im Sinne anderer. Was er anfasst, zerbröselt unter einer Selbstgewissheit aus Pappmachee. Trump ist nicht belastbar, sondern Last.

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