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Ein Hoffnungs Schimmer

Zohran Mamdani ist zum Bürgermeister von New York City gewählt worden. Mit dem 34jährigen Linksdemokraten ist erstmals ein Muslim in diesem Amt. Er ist zugleich der jüngste Bürgermeister der Stadt seit 100 Jahren. Seine Wahlkampagne, die mehrere 10.000 Bürger der Stadt nach Kräften unterstützt haben, baute im Wesentlichen auf eine schonungslose Bestandsaufnahme der sozialen Verhältnisse in Big Apple. Und auf die Perspektiven, die Kern seines Denkens sind und seiner künftigen Politik sein sollen. Kostenlose Busse, Mietpreisbremse, Kinderbetreuung für Alle, höhere Besteuerung von Reichen und Unternehmen. Madmani kritisierte im Wahlkampf den gnadenlosen Kurs von US-Präsident Donald Trump gegen Migranten. Und baute auf die Geschichte der Stadt: „New York wird eine Stadt der Einwanderer bleiben. Eine Stadt, die von Einwanderern errichtet und geprägt wurde. Und ab heute Nacht auch von einem Einwanderer geführt wird.“ Eine klare Ansage an Trumps Autokratie.

Der Wahlgewinn von Mamdani könnte auch der europäischen Linken zu neuer Kraft verhelfen. Ihr mehr Auftrieb und Selbstbewusstsein geben. Schon meldet sich Die Linke in Deutschland. Ihre Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner war vor Mamdanis Erfolg in den USA. Und stellte danach fest, dass es eine Menge Ähnlichkeiten gebe. Inhaltlich. Und die Einsicht betreffend, dass eine gewaltige Kärrnerarbeit vonnöten ist, um politisch zu punkten. In Berlin wähnt sich Die Linke mit ihrer Kandidatin Elif Eralp schon in einer Art Erbfolge des neuen New Yorker Bürgermeister – „Sein Wahlkampf ist wie eine Blaupause für Berlin“. Inklusive Wahlsieg. Doch ist es wirklich so einfach, Strategie und Erfolg zu transfomieren? Die Linke verkennt womöglich, dass sie mitnichten die politische Bandbreite der US-amerikanischen Demokraten vertritt. Die sind eben nicht gleich Die Linke, sondern auch – auf Deutschland übertragen – SPD und Grüne. Das ist eine schwierige Balance, aber auch Vorteil.

Denn von Beginn an konnte Mamdani darauf setzen, dass jeder, der die autokratische Herrschaft Trumps ablehnt, im Grunde nur eine Wahl hat: auf den Kandidaten der Demokraten zu setzen. Sie standen als vereinter Block den Republikanern gegenüber. Was immer es auch an trennenden Momenten im Lager der Demokraten geben mag. Zur Wahl um den New Yorker Bürgermeister-Posten trat man gemeinsam an. Stand geschlossen hinter dem 34jährigen. Dem selbst Zweifel an seinen Positionen zu Israel nichts anhaben konnten. Dem seine migrantische Herkunft Stärke verlieh. Weil sie mit einer gewissen „Lässigkeit“ verknüpft ist, wie Medien schrieben. Weil er Politik nicht verkantet, sondern unbeschwert zu transportieren weiß. Weil er abseits der Kritik an Trumps Kurs vor allem bürgernahe Perspektiven offensiv, bisweilen fast schon visionär in den Vordergrund stellt. Er ist klar in seinen positiven Botschaften. Ein bisschen linker Sunnyboy. Schon im Wesen ganz anders als Trump.

Wenn Die Linke in Deutschland und Berlin vom Mamdani-Durchbruch zehren kann, dann auch mit der Einsicht, dass es ein Fehler wäre, nur aufs eigene Gelingen zu setzen. Darauf, dass Heidi Reichninnek & Co das linke Ding schon schaukeln werden. Und dass Berlins Spitzenkandidatin Elif Eralp es schafft, ihrer Partei nachhaltigen Kampfgeist einzuhauchen. Zu denken, dass es gegen Konservative, ihre Rechtsausleger und die AfD reicht, auf eigenes Selbstbewusstsein, eigene Stärke zu setzen und nach Wahlen Bündniskarten zu mischen. Wenn es eine Lehre aus New York gäbe, dann die, dass es besser wäre, als Wahlbündnis mit SPD und Grünen anzutreten. Um genau die Bandbreite in die Waagschale zu werfen, auf die Mamdani seinen Wahlsieg und die Eroberung des Bürgermeisteramtes bauen konnte. Zu schauen, ob man gar nicht erst auf schwierigen Koalitionspoker setzt, der anderweitig zu erwarten wäre. Sondern von vorneherein signalisiert: Entweder wir oder Union und AfD.

Interessierte Medien und ihre Politikexperten versuchen immer wieder „die Mitte“ zu beschwören und in derlei Perspektiven hineinzugrätschen. Unter dem Rubrikum von Maß und Vernunft und dem Erhalt alter und vermeintlich altbewährter Strukturen wird gewarnt, dass alles andere unsere Werte-Republik aushöhlen würde. Doch was wir spätestens seit der jüngsten Bundestagswahl unter Bundeskanzler Merz erleben, ist genau das: Die Aushöhlung einer solidarischen, sozialen Gesellschaftsvorstellung. Die SPD wird dabei zunehmend zum Teil des Problems. Glaubt allenfalls, hier und da etwas aufhalten zu können, wird allerdings immer wieder an der nächsten Ecke jäh ausgebremst. Oder gibt gleich klein bei. Derweil sorgen die AfD und ihre Anhänger dafür, dass sich die Union immer weiter nach rechts drängen lässt oder freiwillig dorthin driftet. Ein schleichender Prozess, dem bislang Grüne und Die Linke nicht effektiv entgegensteuern konnten. Weil sie zu wenig aufs Gemneinsame setzen.

Angeblich scharfsinnige Beobachter der politischen Szenerie warnen in mantrahafter Erzählung vor einer Polarisierung. Und meinen damit jene in der SPD und bei den Grünen, die aus ihrer Sicht Gefahr laufen, quasi über die politischen Stränge nach links zu schlagen. Die Linke wird eh zum Feind aller Besonnenheit erklärt. In Wahrheit findet die Polarisierung in Politik und Gesellschaft längst statt. Nicht im Gewand linker Genossen und grüner Zoff-Treibenden, auch nicht durch Die Linke – sondern durch die amtierende Bundesregierung. Durch die AfD sowieso. Mit „Stadtbild“-Malerei, Flaggenverboten und dem Ruf der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Deutschland dürfe nicht länger „der Puff Europas“ sein, wird polarisiert, dass sich die Balken biegen. Der Außenminister, der in Abschiebungsfragen zur Vernunft mahnt, steht gewissermaßen auf der Abschussrampe seiner Christdemokraten. Da ist es geradezu zynisch, eine Polarisierung hier anderweitig zu adressieren.

Es gibt Medien-Kommentatoren, die genau darauf aus sind. So der FAZ-Leitartikler Eckart Lohse. Der auch gerade wieder unter der Überschrift „Die Nervosität der CDU wächst“ die bekannte Leier spielt, wonach die steigenden Kosten für den Sozialstaat nur mit harten Spar-Maßnahmen zu schultern sind. Der für einen harten Migrationskurs a la Dobrindt die Trommel rührt. Und der Außenminister Wadephul für das hält, was dieser nicht sein will: ein Weichei. Der die Attacken gegen Christdemokraten, die noch halbwegs menschliche Bodenhaftung haben, journalistisch befeuert. Fragte man ihn, er würde seine Haltung einer irgendwie gearteten „Mitte“ zuordnen. Doch wenn etwa Dobrindt, Spahn, Klöckner die „Mitte“ sind, die hier gepriesen wird, dann ist dies nur Beweis dafür, dass es gerade diese „Mitte“ ist, die es geradezu darauf anlegt, das zu tun, was sie anderen vorwirft, nämlich zu polarisieren. Dann kann es freilich nur noch heißen: Wenn ihr die Polarisierung wollt, könnt ihr sie bekommen!

Womit wir wieder beim neuen New Yorker Bürgermeister Mamdani sind. Der ja nicht mit einem „Mitte“-Programm seinen Wahlerfolg erzielt hat, wie es sich die Union vorstellt, auch nicht mit einem „Mitte“ Programm, auf das die SPD nach Wahlkämpfen ihre Machtpolitik zurückstutzen lässt, sondern mit einem linksliberalen, ja ausgesprochen linken Programm. Das unmissverständlich dafür steht, dem Neoliberalismus den Rücken zu kehren und sich tatsächlich um die wichtigen Belange der Menschen zu kümmern. Vor allem der Menschen, die es nicht so dicke haben. Also einem Programm, das in Deutschland Die Linke im Angebot hat. Dass die Partei aber nicht allein umsetzen kann. Weil ihr die Stärke dafür fehlt. Weswegen sie Mitspieler in der Parteienlandschaft braucht. Solche, die auch nach Wahlen verlässlich sind. Mit denen sich Prioritäten sortieren lassen. Sozialpolitische, klimapolitische, friedenspolitische. Die wissen, wofür sie sind. Und die sich nicht von täuschendem „Mitte“-Geschwätz irritieren lassen.

Es wäre überzogen, die Union mit den US-amerikanischen Republikanern zu vergleichen, und Kanzler Friedrich Merz mit Donald Trump. Aber die irrlichternde und provinzielle Art haben Merz und Trump gemeinsam. Und den Hang, ihre Gegner, wenn es sein muss, auf schlimmste Weise zu diffamieren. Um gar nicht erst ernsthaft über Inhalte diskutieren zu müssen. „Alles Kommunisten“, so sieht das bei Trump aus. Alles solche, die den Staat an den Abgrund führen. Am Abgrund, so sähe auch Merz das Land, wenn Die Linke mitregierte. Nur: Er betrachtet das gerade aus eigenen Abgründen heraus. Seine Umfragewerte fallen in dem Maße, wie er an Glaubwürdigkeit verliert. Auch Mamdanis Sieg läuft parallel zum zwar nur allmählich, aber doch auffallend sinkenden Stern Trumps. Es stünde also alles dafür, in dieser Situation die Kräfte links des in der Gunst abfallenden konservativen Lagers, links der AfD sowieso, zu bündeln. Unter dem Dach eines breiten offensiven Wahlbündnisses.

Die Agenda eines solchen Bündnisses ließe sich durchaus an der des Shootingstars Mamdani ablesen. Ran an den Mietirrsinn, an das Geld der Reichen und Unternehmen zu Gunsten eines solidarischen Renten- und Gesundheits-Systems, kostenlose Kita-Plätze und kostenfreier öffentlicher Nah-Verkehr, eine menschliche Migrationspolitik, keine Arbeitssperren für Menschen, die in unser Land kommen, weil sie Schutz suchen oder wirtschaftlicher Not entkommen wollen. Migration als Stärke, nicht als in „Stadtbilder“ gekleidete Schwäche. Dazu bedarf es sozialer Resilienz. Muss Bereitschaft her, sich nicht von wilden Drohkulissen wirtschaftlichen Niedergangs einschüchtern zu lassen. Bereitschaft, den Spieß bisheriger Politik radikal umzukehren. Bereitschaft, Beweis zu führen, dass es auch anders geht als bisher. Das ist jetzt auch die Aufgabe, die Mamdani bevorsteht. Er hat dafür ein klares Votum. Dieses Votum muss auch hierzulande her. SPD, Grüne und Die Linke sollten sich sputen.

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