by

Korruption Als Kriegsgegner

Kreml-Diktator Wladimir Putin und sein völkerrechtwidriger und in allen Facetten verbrecherischer Krieg gegen die Ukraine hin oder her: Das, was der gigantische Korruptionsskandal im von Russland überfallenen Land offenbart, ist an Vertrauen zerstörender Dimension nicht mehr zu übertreffen. Und: Wer das Geflecht der Involvierten betrachtet und glaubt, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi habe nichts damit zu tun, ist entweder naiv. Lässt sich hinters Licht führen. Oder blendet in voller Absicht aus, was hier an kriminellen Machenschaften tobt. Um ja nicht schlussendlich der eigenen Blindheit bezichtigt zu werden. Die EU hat ja bereits, als Selenskyi die Kontrollbehörden und ihre Arbeit aushebeln wollte, reagiert. Selenskyi seinerseits hat seinen Kurs dann auf Druck geändert. Aber eben nur auf Druck. Und nicht weil er den Sumpf der Korruption in seinem Land austrocknen will. Sondern weil er sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als den Forderungen aus Brüssel Folge zu leisten, will er eine europäische Perspektive erhalten. Die freilich zählt nicht, wenn Geld und Macht stärker sind – und verlockender.

Tausend Minuten Gesprächsmittschnitte, so Medien, legen frei, welch umfängliches Netzwerk in dem Skandal agiert (hat). Darunter offenbar Vertraute des Präsidenten der Ukraine. Wie Tymur Minditsch, ein, wie es heißt, enger Geschäftspartner von Selenskyi. Der sich mit einem weiteren Top-Verdächtigen, Oleksander Zukerman, mit dem er Millionen Dollar verschoben haben soll, nach Israel abgesetzt habe. Beide seien von Selenskyi mit Sanktionen belegt worden. Dem Präsidenten ist, so mein Eindruck, gar nichts anderes übrigen geblieben, will er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, die andere schon um seinen Hals geschnürt sehen. Zwei Minister sind in dem den Staat erschütternden Skandal zurückgetreten. Selenskyi soll in Tonprotokollen kurz auftauchen. Delikat: Vieles von dem, was da geredet wurde, sei in russischer Sprache zu hören. In der Sprache des Feindes, dem von Behörden der Kampf angesagt wird. Es gibt auch Bilder. Von Geldwäsche und Liebes-Affäre ist die Rede. Alles klingt mehr als dubios. Es klingt nach einem Geflecht, das alle Ingredenzien eines Politthrillers mit Umsturzpotenzial hat.

Ob es reicht, was jetzt in der Ukraine und von ihrem Präsidenten getan wird, um den Skandal aufzuklären und gegebenenfalls weitere personelle Konsequenzen zu ziehen – fraglich. Das Vertrauen im Land dürfte ebenso schwer leiden, wie das Vertrauen, das die westliche Welt in die Integrität von Selenskyi gesetzt hat. Dabei wusste man von Anfang an, dass der Mann, der Staatsoberhaupt wurde, ein großer Schauspieler ist. Der an seiner gewonnenen Macht hängt wie andere Staatslenker auch. Immer wieder gab und gibt es in der Ukraine Diskussionen darüber, wie weit diese Macht reichen sollte. Und ob ausreichend Böden eingezogen sind, damit sie nicht missbraucht werden kann. Die Tatsache, dass Selenskyi noch vor Kurzem einige Böden herausreißen wollte, spricht nicht gerade dafür. Und dass in die Machenschaften, die jetzt offenbar werden, auch er verwickelt sein könnte, für derlei Ahnungen muss man nicht in den Topf irrlichternder Fantasien greifen. Es wäre eher verwunderlich, wenn man nicht fündig würde. Und das am Besten von staatswegen, als wenn im Zweifel ausländische Geldgeber handeln müssten.

Der Skandal, so darf man sagen, ist auch Wasser auf die Mühlen so genannter „Putin-Freunde“. Der Orbáns etwa. Oder, hierzulande, des kremlzugeneigten AfD-Lagers, auch in Teilen des BSW – und ominöser Gestalten aus der Veschwörungsbranche. Der Skandal dürfte auch jenen zuspielen, die den Krieg zu Ende bringen wollen, auf Teufel komm raus. Auch wenn die Ukraine dadurch eine Menge Territorium verliert. Und die windige Verhandlungen schönzeichnen, bevor überhaupt jemand am Tisch für Gespräche Platz genommen hat. Die Selenskyi ohnehin eher als zweiten Kriegs-, denn als Friedenstreiber sehen. Und deswegen fordern, dass er quasi zu Verhandlungen gezwungen werden müsse. Es würde nicht schaden, wenn – um noch glaubwürdig Unterstützung für die Ukraine zu sichern, auch in Ländern, die vornean Milliarden überweisen – die EU (meinetwegen auch die USA, aber Glaubwürdigkeit ist auch hier eher ein Problem) auf einen Wechsel an der Spitze der Ukraine drängen würde. Und jemand anderes Präsident würde. Anstatt man weiterhin ins finanzielle und politische Nirwana investiert.

Die Bitte von Kanzler Friedrich Merz an Selenskyi, doch junge Männer, die dem Krieg den Rücken kehren, nicht aus dem Land zu lassen, zeigt, dass es Zweifel gibt, inwieweit es im Zusammenhang mit der Ukraine mit rechten Dingen zugeht. Der Korruptionsskandal ist nicht geeignet, derlei Zweifel zu zerstreuen. Schon allein um das Narrativ von der deutschen „Kriegstüchtigkeit“ zu befeuern, braucht es einen Krieg – und ein Bedrohungsszenario, das seine Ausweitung ans Firmament projieziert. Wo aber potenzielle Kämpfer desertieren, wird andauernder Krieg als Kulisse schwer aufrecht zu erhalten sein. Und wo die Kulisse Risse bekommt und Friedensbemühungen wieder ins Blickfeld rücken, ist Deutschlands Rüstungsindustrie nicht begeistert. Vielleicht wird bald, durch den Korruptionsskandal ausgelöst, jemand im ukrainischen Präsidentenamt sein, dem das Ende des Sterbens und der Zerstörung, die Krieg mit sich bringt, lieber ist. Und plötzlich gibt es friedenspolitische Perspektiven. Das würde das westliche Rüstungskonstrukt ins Wanken bringen. Wird also spannend, was D und die EU jetzt tun.

Zu befürchten ist, dass sich gar nichts tut. Also die schlechteste aller grad denkbaren Varianten. Allerdings eine, die sowohl Selenskyi eigen ist als auch dem ihn unterstützenden Westen. Bliebe dann noch, dass sich die Bevölkerung der Ukraine selbst ermächtigt, nicht nur den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Sondern zu schauen, wie man Korruption UND dem andauernden Krieg ein Ende setzen könnte. Mag sein: Neuer Präsident, Demokratisierung der Behörden, Verhandlungen. Und nicht nur, wie bei Trump, in Alaska ins Eis getrötet und vom Kreml nach dem Heimkehr Putins scheinheilig orchestriert, sondern evetuell mit Unterstützung der Brics-Staaten, allem voran das geschäftstüchtige China, und mit effektivem Druck auf die Schiene gesetzt. Jedenfalls, da darf man sicher sein, werden es die Menschen in D oder der EU nicht hinnehmen, dass mit Steuer-Geldern korrupte Minister, Geschäftsleute, Selenskyi-Gspusis und der Präsident selbst gepudert werden. Und der Kreml weiter Appetit auf Kriegsbeutezüge hat. Wenn Kriegsparteien im Sumpf ihrer Unzulänglichkeiten versinken, versinkt auch die Lust am Krieg.

Hinterlasse einen Kommentar