Man mag ja allerlei auf den ersten Blick einleuchtende Hinweise aufrufen, weswegen staatliche Universitäten verpflichtet seien, „politische und weltanschauliche Neutralität zu wahren und sich nicht einseitig für oder gegen eine Partei zu positionieren“. So im Berliner „Tagesspiegel“ zu lesen. Und, wie er, „streng genommen“, darauf zu pochen, dass sich studentische Gruppen nur „hochschul-, nicht aber allgemenpolitisch“ äußern dürften. Weshalb dem „Tsp“, der freilich für seine politischen Schwankungen bekannt-berüchtigt ist, allerdings nicht greifbar nah einfällt, dass Hochschulen vor allem auch Orte des Intellekts sind? Eine Initiative namens „Studis gegen Rechts“ wollte ein Treffen gegen die für Ende November geplante Gründung einer neuen AfD-Jugendorganisation abhalten. Doch die Freie Universität verbot das. Auch an der Humboldt-Uni darf das Treffen nicht stattfinden. Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra, SPD, wies Kritik daran zurück. Der „Tsp“ schwenkt auf den Kurs ein.
Punkt eins: Die Jugendorganisation will sich gründen, nachdem sich die AfD, sicher ist sicher, von der alten Jugendorganisation, die berechigt als rechtsextrem eingestuft worden war, getrennt hat. Man kann behaupten, dass die Neugründung gelernt hat – und weniger rechtsextremistisch ist. Man kann aber auch denken, dass die Neugründung nur ein Manöver ist, um junge AfD-Anhänger selbst, die nichts von ihrer Gesinnung verloren haben, in Schutz zu nehmen – und zugleich die AfD. Die immer stärker befürchten muss, eines nicht fernen Tages doch in die Fänge eines Verbotsverfahrens zu geraten. Dass Studentinnen und Studenten hier den Finger in die Wunde legen wollen, ist nicht eine Verletzung eines irgendwie gearteten Neutralitätsgebots. Sondern ein Gebot der Stunde, das darauf gründet, dass der Verfassungsschutz durch die AfD durchaus die Demokratie in Gefahr sieht. Und dass eine heranwachsende geistige Elite nicht zuletzt, sondern zuerst darauf Aufmerksam machen müsste.
Denn, Punkt zwei, gerade wer scharf nachdenkt, sollte darauf kommen, dass Regeln für Universitäten das eine sind. Und das Grundgesetz das andere. Weshalb es im Zweifel über Regeln steht, die irgendwo festgehalten werden. Dass Hochschulleitungen hier nicht auf Geisteshöhe agieren, zeigt, was auch dunklere deutsche Zeiten gezeigt haben. Auch da war auf die Führung deutscher Elite-Institutionen nicht demokratischer Verlass. Umso mehr verwundert, weswegen Medien auf die Reibungskräfte von Verstößen gegen Regeln hinweisen und weniger auf die Reibungskräfte, die sich ergeben können, wenn nicht wenigstens Studentinnen und Studenten hier aktiv werden und etwas tun, was geeignet ist, die Demokratie zu schützen. Oder darauf aufmerksam zu machen, dass die Neugründung einer AfD-Jugendorganisation nichts vom rechtsextremen Charakter nimmt. Sondern nur ein weiterer Versuch ist, dem Rechtsextremen Platz zu schaffen, wo Verfassungsschützer ihn nehmen.
Wer, wenn nicht die Universitäten, wären als Platz besser geeignet, der Demokratie in intellektueller Absicht aktiv Unterstützung zu bieten. An den Universitäten soll, so wird es jedenfalls behauptet, demokratischer Geist ein festes Zuhause haben – und sich nicht erschüttern lassen, nur weil Hochschulleitungen die Courage fehlt, sich in ihrer Eigenständigkeit unmissverständlich zu positionieren. An konservativen Kräften kann es nicht liegen, die sich, jedenfalls nach außen, noch wehrhaft gegenüber demokratiefeindlichen Akteuren geben. Nicht ohne Grund wird ja um der Wahrheit Willen berichtet, dass es die AfD war, die gegen Treffen der „Studis gegen Rechts“ interveniert hat. Schon das und dass die Chefetagen der geistigen Elite-Einrichtungen offenbar auf AfD-Beschwerde in die Knie gingen, wirft nicht gerade ein beruhigendes Licht auf die intellektuellen Zustände an betroffenen Hochschulen. Für ein gefeiertes „summa cum laude“ reicht dieses Schattenspiel jedenfalls nicht.
So ist es die Technische Universität (TU) zu Berlin, die das Treffen von „Studis gegen Rechts“ in ihren Räumen erlaubt hat. Und damit einen Rest geistiger Selbstbehauptung der Universitäten rettet. In den sechziger und siebziger Jahren wäre, gerade in Erinnerung an die Rolle der Eliten in Nazi-Deutschland, der Kotau der anderen nicht so einfach durchgegangen. Man hätte sich, so nehme ich als damaliger Student Rückblick, im Kampf gegen alte und neue Rechtsextreme Treffen nicht verbieten lassen. Schon gar nicht auf Beschwerde derjenigen, die hier gemeint sind. Derlei Beschwerden hätten bewirkt, dass die Universitäten so klug gewesen wären, zu erkennen, dass sie ihre Neutralitätspflicht vor allem dadurch verletzen, dass sie quasi dem Geheiß der AfD folgen – indem sie ihre Läden für kritische Geister schließen. Und dass sie die Regeln von rechtsextremen Populisten auf den Kopf stellen lassen. Es ist nur eine kleine Ecke, um die herum gedacht werden müsste. Zuviel verlangt?

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