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Schön Distanz Halten

Ich bin Betroffener. Insofern, so riet mein Umfeld, sollte ich mich vielleicht besser nicht zu dem äußern, was jetzt kommt. Weil sich mir die Frage stellt, wer sonst würde erwartbar den Finger in die Wunde legen, mach ich’s trotzdem. Es geht, nicht zum ersten Mal, um den „Freitag“. Hier um Alexander Teske, der einen Beitrag zum Gezerre um die Zukunft des ÖRR verfasste. Konkret um die politischen Umstände. Stichwort: Rundfunkreform. Ob sie kommt oder scheitert. Und was von dem zu halten ist, was diskutiert wird. Der Beitrag steht dem ÖRR kritisch gegenüber. Wer das Teske-Buch „Inside Tagesschau – Zwischen Nachrichten und Meinungsmache“ kennt, weiß dort eine Mischung aus debattierfähigen Positionen und weniger debattierfähigen denunziatorischen Inhalten zuhause. Linksversifft. So lässt sich der Tenor des Buches zur „Tagesschau“ zusammenfassen. In dem auch ich namentlich eine Rolle spiele. Das freilich berührt mich nicht wirklich. Etwas anderes an der „Freitag“-Präsentation tut es.

Es steht nicht im Beitrag selbst, der mit bekannten Ressentiments zum ÖRR daherkommt. Nicht schlecht formuliert. Mit einer täuschenden Distanz zum Tesk’schen Objekt der Begierde. Aber zwischen den Zeilen für den, der zwischen ihnen lesen kann, dann doch, wie es so schön heißt, meinungsstark. Auch das könnte man noch als Ausdruck einer gewissen Debattenfreudigkeit, für die der „Freitag“ bekannt ist, werten. Wo mir allerdings Zweifel an der Integrität dieser Vielfaltsoffenheit kommen, ist, wenn ich die „Bio“ lese, die dem Beitrag beigefügt ist. Dort wird nicht allein auf den Titel des von Teske verfassten Buches hingewiesen, sondern auch auf den Video-Podcast, den er betreibt. „sachlich richtig“, so sein Titel. Dort tummelt sich nahezu ausnahmslos eine illustre Schar von Kritikern des ÖRR und einer Medienlandschaft, die als elitär, gleichgeschaltet und linkslastig gebrandmarkt wird. Und einschlägigen Narrativen das Wort redet. Jeweils circa eine Stunde rechtskonservativer Medien-Schimpf vom Allersimpelsten.

Alexander Teske, Annekatrin Mücke und Peter Welchering sind regelmäßige Gastgeber des Formats. Das Buch von Teske sollte jeder lesen, der wissen will, was die Stunde des Autors geschlagen hat. Die beiden anderen sehen sich, wie Teske, durchaus auch als Opfer des ÖRR. Geschasst, gegangen? Wie auch immer. In Unmut über das System entbrannt. Laden sie ein, wer ihnen in den Kram passt. Die zu Wort kommen, reden, wie es ihnen beliebt. Die Namen, die einem schon beim Überfliegen ins Auge stechen, sprechen für sich eine deutliche Sprache. Die Protagonisten rechnen ab, was das Zeug hält. Nicht wenige tauchen in eindeutigen Zusammenhängen mit Plattformen wie „Nius“ oder „Tichys Einblick“ auf. Haben sich der rechten „Jungen Freiheit“ zum Interview gestellt. Haben eigene Plattformen gegründet, die ihrerseits einem rechtslastigen Spektrum zuneigen. Man kann, natürlich, „sachlich richtig“ bewerben – wenn man wildes ÖRR-bashing mag. Aber im „Freitag“? Da bin ich doch einigermaßen erstaunt.

Damit der Leser nicht denkt, ich fantasiere, lasse ich mal eine Reihe von Gesprächspartnern der Teske-„Show“ durch diesen Text flanieren. Da haben wir Max Mannhart. Betreibt „Apollo news“. Dies sei, so „sachlich richtig“, das „vielleicht spannendste Start up im Medienbusiness“. Mannhart war laut „Unser Team“ (aus dem Plattform-Menu) Mitglied der Chef-Redaktion von „Nius“, leitete zuvor „das Berliner Büro“ von „Tichys Einblick“. Andere kommen aus der gleichen Ecke. Beispielsweise der der „Achse des Guten“ von Henryk M. Broder. Nächster: Jimmy Gerum. Er organisierte mit „Leuchtturm ARD“ Mahnwachen. Gegen eine „desinformierte Welt“, die ÖRR trügen Mitverantwortung. „Propaganda“, „System-Medien“, „gekaufte Journalisten“ sind als Trigger auf dem „Leuchtturm“-Portal zu finden. Gerum steht an der Seite der Partei „dieBasis“. Laut „Wikipedia „offen rechts“, Funktionäre seien durch „antisemitische Äußerungen und Relativierung des Holocaust“ aufgefallen. Parteimitglieder schon mal vor Gericht gelandet.

Wenn haben wir denn da noch so. Carsten Brennecke zum Beispiel. Der Rechtsanwalt hat eine wechselhafte Vita. Er ist, so die „Welt“, „nach eigenen Angaben“ Mitglied der Grünen. Vor allem aber ist er bekannt als Vertreter einer Kanzlei, die er mitbegründet hat. Brennecke vertrat Ulrich Vosgerau, einen der Teilnehmer am Treffen von Rechtsextremen (auch der AfD) in Potsdam, in diesbezüglichen juristischen Streitigkeiten, auch mit der ARD. Stolz gab Brennecke seine Sicht der Dinge in der rechten „Jungen Freiheit“ preis. Er lässt keinen Zweifel über seine Arbeitsmoral. Auf „new business“, dem „Magazin für Kommunikation und Medien“, findet sich der Satz: „Wir arbeiten für jeden, auch für die AfD“. Auch die Influencerin „Critical Cat“ alias Katharina Schmieder mischt bei „sachlich richtig“ mit. Kein Wunder. Ist sie, einst SWR-Mitarbeiterin, doch eine scharfe Kritikerin des ÖRR. War bei „Nius“. Und ist heute bei „kontrafunk“ zu hören („Stimme der Vernunft“). Urteil“wikipedia“: „rechtskonservtives Alternativmedium“.

Ein weiterer Gesprächspartner bei „sachlich richtig“: Bastian Barucker. Der Wildnis- und Naturexperte hat sich vor allem mit seinem ausgesprochen kritischen Blick auf die Corona-Pandemie und die strengen Maßnahmen einen Namen gemacht. In einem Buch, das die Spiegel-Bestseller-Liste erreichte, rechnet er ab. Das haben viele gemacht. Bei Barucker freilich kommen auch „Journalist“*innen wie Aya Velázquez (nicht ihre richtiger Name) und Paul Schreyer zu Wort. Beide werden der Verschwörungsszene zugerechnet, die dunkle Machenschaften hinter dem Pandemie-Management wittert(e). V-Leute, Absprachen zwischen Politik, Medien, Wissenschaft. Sind Stichworte, die fallen. Paul Schreyer wird ein ausgeprägter Hang zum Querfront-und Verschwörungs-Lager nachgesagt. Sein Name in Zusammenhang mit diversen dubios-fragwürdigen Medien und Thesen gebracht. Die Kette der öffentlich erwähnten und kritisierten Verbindungen, die Schreyer gehabt haben und/oder haben soll, ist lang.

Paul Schreyer ist unter anderem Mitbegründer des online-Magazins „Multipolar“. Das wehrt sich auf seiner Seite gegen Einordnungen, die etwa bei „wikipedia“ zu finden sind. Dort heißt es, dass BR24 herausgefunden habe, dass „Multipolar“-Verbindungen bis hin zu Jürgen Elsässer reichen, der das rechte Magazin „Compact“ herausgibt. Dass Annekatrin Mücke von „sachlich richtig“ entgegen aller Kritik und ausgerechnet in der „Berliner Zeitung“ das Magazin „Multipolar“ als positives Beispiel für „Graswurzel-Journalismus“ betrachtet, der „die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit ermögliche“ (so bei „wikipedia“ zu nachzulesen), ist eine Art Treppenwitz. Und zusätzlicher Hinweis darauf, was es mit „sachlich richtig“ auf sich hat. Wo Magazine wie „Multipolar“ derart reingewaschen werden, kann Kritik an so genannten „System-Medien“ nicht weit entfernt liegen. Das Namens-Karussell vom YouTube-Podcast „sachlich richtig“ dreht sich in diesem Sinne munter weiter.

Zu den weiteren Gesprächspartnern zählen: Roland Schatz, Michael Meyen, Axel Bojanowski, Marcus Maurer, Uwe Krüger, Andreas Halbach. Sie sind sich einig, dass der ÖRR, zurückhaltend formuliert, ein Hort der Defizite ist. Etablierte Medien werden diffamiert. Natürlich ist die Erzählung von der „Lügenpresse“ nicht weit. Vorwürfe der Verleumdung kritischer Mitarbeiter, der Anfeindung durch Kollegen, verdächtiger Geldflüsse und einem Heer politischer Wissenschaftler, die instrumentalisiert würden, tauchen auf. Zusammen mit scharfer Kritik an einseitig verengten Debattenräumen bleibt ein verheerendes Bild einer die Öffentlichkeit manipulierenden Medienlandschaft, mit Ausnahme so genannter Alternativmedien selbstverständlich. Die Agenda hinter „sachlich richtig“ ist leicht zu durchschauen. Sie bewegt sich im Kontext mit dem von Teske verfassten Buch. In dem es zuvorderst darum geht, Medien, speziell die „Tagesschau“, in ein linkes Einflussreich zu sortieren.

Nun gehört es mittlerweile ja fast schon zum „guten Ton“, sich gegen einen elitären Mainstream zu stellen. Angefangen beim fast vergessenen Corona-Konflikt bis hin zum russlandfreundlichen Stelldichein, das sich gerne und immer wieder mit Kritik am ÖRR paart. Zum Setting gehören bekannt-banale, bisweilen stark rechtsdriftende Untertöne. Und der „Freitag“? Erst kürzlich gab es dort ein Interview mit dem Medienexperten Michael Haller. Der Mann, 1945 geboren, ist unter anderem, wie zu lesen, Fachmann für „Medienethik“, „Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement“ im Journalismus. Im „Freitag“ blätterte er das Spektrum seiner Ansichten auf. „Schlagseite“ Nachrichten, einseitige Themenaufbereitung, bei ÖRR konservative und rechte Positionen „massiv unterrepräsentiert“, „grün-linkes Milieu“ in Redaktionen – Haller bläst unhinterfragt ins Horn von Teske. Der sei, so versichert Haller, ein „solider Journalist“. Wird deswegen „sachlich richtig“ beworben? So schließen sich die Kreise.

Die Fallstricke der Publizistik sind mindestens so breit angelegt, wie die Fallstricke, die sich durch die Politik ziehen. Es ist inzwischen kaum mehr möglich, dort überall unterwegs zu sein, ohne dass man, zunächst guten Glaubens, in zweifelhafte Fahrwasser gerät. Die An- und Absichten, die sich einem offenbaren, purzeln je nach Interesse oder Ideologiebedarf durch die Medien- und Buchlandschaften. Geht es um Frieden, ist man schnell bei Kreml-Apologeten. Ist man für Meinungsfreiheit, folgt einem eine Herde Rechter, die als erstes die Meinungsfreiheit abschaffen würden, hätten sie die Macht. Es ist wirkliche Arbeit, sich in integrer Absicht durch den Sumpf politischer Camouflagen zu bewegen. Nichtsdestotrotz sehe ich in dieser Arbeit den einzigen möglichen Weg, Distanz zu wahren, ohne eigene Haltung zu verlieren. Das betrifft auch den Umgang mit Medien. Abstand ist das beste Mittel der Annäherung. Das galt für mich auch immer dort, wo ich journalistisch tätig war. Ehrenwort: das half mir sehr.

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