Es ist schwer, mit den Beurteilungen der neuen Sicherheitsstrategie der USA gleichsam einen eigenen europäischen Weg zu finden. Zu verfahren haben sich die Versäumnisse ausgewirkt, die damit einhergingen, auf eine weitestgehend militärische Lösung des Russland-Ukraine-Konflikts zu setzen. Und die diplomatischen Möglichkeiten außer Acht zu lassen. Das hat man im Wesentlichen Washington und der Trump-Regierung überlassen. Die Europa an den Rand und die Ukraine in die Defensive gedrängt hat. Um mit Russland einen Frieden auszuloten. Alle Hinweise darauf, dass dem russischen Angriffskrieg eine „Erweiterungspolitik der NATO“ vorausging, worauf der Friedensforscher Hans-Georg Ehrhart im „Freitag“ hinweist, ist eine zutreffende Beschreibung. Die Erweiterung ist freilich nicht mehr rückgängig zu machen. Zugleich spielt für die USA die westliche Militär-Allianz nurmehr eine untergeordnete Rolle. Trump will den Krieg beenden. Er hat dabei nicht nur Europa abgeschrieben, sondern auch die Ukraine.
Es ist richtig, was Ehrhart schreibt, dass für Trump ideologische Aspekte keine größere Rolle spielen. Nicht umsonst würde er sonst einen Plan in Umlauf bringen, der nahezu deckungsgleich mit den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist. Ideologiefrei, wie Ehrhart meint, kommt er aber nicht daher. Es ist die Ideologie nationaler und zugleich imperialer Macht, die die USA derzeit mit Russland verbindet. Und auch, dass Trump die „Souveränität anderer Staaten“ respektiert, stimmt so nicht (siehe auch Lateinamerika). Die Souveränität der Ukraine ist Trump egal. Anders lassen sich Gebietsabtretungen der Ukraine, wie sie Trump und Putin einfordern, nicht erklären. Woraus sich der andauernde Widerstand der Ukraine erklärt. Dass Europa nichts Besseres einfällt, als hier Präsident Selenskyi zu folgen, zeigt, dass man sich weiter in die Sackgasse manövriert. Weder in Berlin noch anderswo auf dem europäischen Kontinent ist nur ansatzweise ein realistischer Ausweg erkennbar.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich zugleich jene politischen Kräfte gestärkt sehen, die das autoritär Nationalistische der USA nachahmen. Das allenfalls nach außen modifiziert daherkommt, wenn es um ökonomische Interessen geht. Und das, wie Ehrhart richtig beschreibt, auch aus der Angstmache gespeist wird, man könne „kulturell ausgelöscht“ werden. Man wirft sich also auf die eigene nationale Identität. In der zählt unter anderem, was Bedrohung abwehrt. Insofern also auch der Weg Trumps, sich mit dem Kreml und seiner Macht zu arrangieren. Zugleich wird als andere Seite der gleichen Medaille die Ukraine fallen gelassen, die aus Sicht des rechtskonservativen und rechten Lagers ohnehin nur Milliarden fremder Gelder verbrennt. Das Dilemma der europäischen Ratlosigkeit wird alles in allem also potenziert. Europa hat sich die Möglichkeiten verbaut, hier mit mehr diplomatischem Druck Russland UND die Ukraine zu einer friedlichen Lösung zu bewegen. Was von eklatanter Schwäche zeugt.
Es geht, so scheint es, nur so: Entweder Trump- und Putin-freundlich – im Zuge dessen die rechten Regierungen und Kräfte stärken (Ungarn, die AfD etc.) – und ebenfalls der Ukraine viele Zugeständnisse zumuten. Oder aber radikal vom gewohnten Schwanken abweichen und im Sinne aufgeklärter Politik doch noch eine eigene Lösung anstreben. Es ist freilich nur schwer auszumachen, wie die aussehen könnte. Zu sehr hat man Selenskyi und seiner Entourage den Floh ins Ohr gesetzt, man könnte die Ukraine am Ende erfolgreich gegen Russland verteidigen. Man hat nie wirklich beschrieben, wie dieses Ende konkret aussehen könnte. Und sich, für Europa typisch, im Ungefähren gehalten. Jetzt kommt auch noch der Korruptionsskandal hinzu, in dem der Präsident nach Lesart seiner Kritiker durchaus eine Rolle spielen könnte. Das wäre einerseits ein Tor hin zu neuen Wegen, zugleich aber auch eine klare Absage, dass es so weitergehen kann wie bisher. Dazu freilich müsste sich Europa schnellstens durchringen.
Ehrhart hat Recht, wenn er im „Freitag“ signalisiert, dass Europa vor allem dazu bereit sein müsse, endlich Dogmen aufzugeben. Dazu gehört m.E. beispielsweise, zu glauben, man könnte am Rockzipfel der Trump-USA noch irgendwie in transatlantischer Tradition behütetes Selbstbewusstsein wahren – oder überhaupt erlangen. Der Zug der Gemeinsamkeiten ist nach den neuen Erklärungen aus Washington abgefahren. Die Tuchfühlungen Rechter nach Übersee und retour lassen neue transatlantische Brücken entstehen. Die mit allem, was mit europäischer Aufklärung zu tun hat, brechen. Hier muss Europa bereit sein, beide Augen zu öffnen. Zum anderen muss Europa den Glauben abstreifen, eine Lösung des Ukraine-Konflikts ließe sich ohne direkte Putin-Berührung herbeiführen. Und ohne, dass man der Ukraine allerhand aufbürdet, wenn man den Staat noch in seiner Souveränität, dann territorial abgespeckt, retten will. Alles andere wäre verantwortungslose „Vogel-Strauß“-Haltung (Ehrhart).

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