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Allianz Judentum Islam

Meist sind Morgende, an denen ich geschwind ins Handy schaue, Minuten verlorener Zeit. Nichts hat sich wirklich auf der Welt bewegt. Vor allem sind die Polarisierungen vom Vortag die gleichen. Auch mit Blick auf den Konflikt im Nahen Osten, zwischen Israel und Palästinensern, Judentum und Islam. Es wimmelt von doktrinären Bildern, die die Realitäten verzerren. Geschichte nur halb erzählen. Unrecht in Recht verwandeln wollen. Mit einseitigen Narrativen das Denken beugen. Zwischentöne unerwünscht. Berührungen, bloß nicht. Alles, was der Annäherung dient, gar der Versöhnung, wird ausgetreten wie ein gefährliches Feuer. Um so wohltuender ist es, den Artikel von Andreas Isenschmid in der „FAZ“ zwischen den Jahren zu lesen. Über eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Hohenems in Vorarlberg. „Die jüdische Allianz mit dem Islam“, so der Titel. Plötzlich bin ich ganz wach.

Den Blick auf das Verhältnis zwischen Judentum und Islam, den die Ausstellung bietet, habe ich bislang vernachlässigt. Es geht um den „Kulturzionismus“. Der quasi einen Kontrapunkt zu Theodor Herzls Vision von einem Judenstaat bildete. Herzls Vision war unter Jüdinnen und Juden durchaus umstritten. Während Herzl ein im Kern stark politisch geprägter Judenstaat vorschwebte, plädierte der „Kulturzionsmus“ seines herausragenden Vertreters Ascher Ginsberg (Achad Ha’am) für einen Staat vor allem geistiger und kultureller Erneuerung des Judentums. Er sah in einer aufs Religiöse, vor allem aber auch Territoriale konzentrierte Vision den Wegbereiter von Konflikten mit der arabischen Bevölkerung Palästinas. So kam es. Die Gegenwart zeigt einen Konflikt aus „Feindseligkeiten und Blockaden“, schreibt Isenschmid in der „FAZ“. „Offenheit und Neugier“ seien selten.

In Hohenems bekommen Offenheit und Neugier eine Chance. Die Ausstellung, so Isenschmid, markiere den Abschied von Hanno Loewy als Direktor des Jüdischen Museums. Sie führe „zurück in „die geistige Welt, die den Kulturzionismus hervorbrachte“. Isenschmid: Der „gegenwartsbefangene Kopf“ werde einem „zurechtgerückt“. Stattdessen erlebe der Besucher „die jüdische Neugier für den Islam“. Entsprungen dem jüdischen Orientalisten Ignaz Goldziher (1850-1921), der die Idee einer „jüdischen Allianz mit dem Islam“ verfolgt habe. Die Austellung, so gebe ich es verkürzt wieder, belege ein aus Unbefangenheit gewachsenes Abenteuer, im Orient „das Eigene am Fremden“ zu suchen und zu entdecken. Und Bögen zu schlagen, die angesichts gegenwärtiger Polarisierungsbestrebungen weitabliegend scheinen. Ich verzichte darauf, an dieser Stelle ins Detail zu gehen.

Jedenfalls feiere Loewy mit der Ausstellung „Die Morgenländer – Jüdische Forscher und Abenteurer auf der Suche nach dem Eigenen im Fremden“ einen, so Isenschmid sinngemäß, würdigen wie herausfordernden Abschied. Mir öffnet Isenschmids Artikel einmal mehr die Augen dafür, dass das Trennende zwischen Judentum und Islam, Israel und Palästinensern offenbar auf jüdischer Seite eher mit der wahrgewordenen Vision eines vor allem politischen Judenstaats einhergeht, als mit dem geistig-kulturellen jüdischen Erbe. Aus einer Ära weit vor der Shoah. Was nichts an der Verantwortung aller, auch des palästinensischen Extremismus ändert. Was aber helfen könnte, in Besinnung auf ausführliche Forschungen Gräben, die derzeit vermeintlich unüberwindbar klaffen, ein wenig zu schließen. Und zu erinnern, dass es Zeiten friedlicheren übergreifenden Wirkens in Palästina gab.

Hanno Loewy hat denen, die sich mehr der Annäherung zwischen Israel und den Palästinensern öffnen, als weiter Feindseligkeiten und Gewalt zu schüren, mit der Ausstellung ein großes Geschenk gemacht. Der Literatur-, Medienwissenschaftler und Publizist, der mir aus Studientagen in Frankfurt am Main als aufrechter Liberaler in Erinnerung ist, hat sich seit jeher bemüht, Licht in Geschichte zu bringen. Auch mit dem Aufbau des „Fritz Bauer Instituts“ zur Erforschung von Geschichte und Wirkung des Holocaust. Dass er in Hohenems von Österreichs rechter FPÖ angegriffen wurde, wundert nicht. Loewy steht gegen die Ausländer- und Migrantenfeindlichkeit der Rechten. Auch in Vorarlberg. Was die FPÖ veranlasste, ihn einen „Exil-Juden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“ zu nennen, den, so zu lesen, die österreichische Innenpolitik nichts angehe.

Das war 2009. (Auch) Die ÖVP sah darin einen antisemitischen Angriff. Weil sich die FPÖ weigerte, sich zu entschuldigen, kündigte die ÖVP ihre viele Jahre währende Koalition mit den Rechten in Vorarlsberg auf. Nach Intermezzi von ÖVP (allein) und ÖVP und Grünen im westlichsten Bundesland Österreichs sind schwarz und blau (oder braun) allerdings wieder regierungsmäßig vereint. Auch in Österreich haben brandmauerartige Konsequenzen nur eine kurze Halbwertzeit. Am kulturellen Vermächtnis, das Loewy, von dessen jüdischen Vorfahren nur wenige dem Holocaust entkommen konnten, rührt das nicht. Ehedem hatten FPÖ-Vertreter gefordert, ihn als Museums-Direktor abzuberufen. Ein späteres Pardon, wohl auch, weil FPÖ-Vertreter da im Museumsvorstand saßen, wirkte wenig glaubwürdig. Hanno Loewy freilich blieb. Und geht, hochachtungsvoll.

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